Eine Erbschaft kann erwartet oder überraschend eintreten. Immer jedoch wirft dieses Ereignis zahlreiche Fragen auf: Was sind die nächsten Schritte? Welche rechtlichen und finanziellen Aspekte müssen beachtet werden?
In diesem Artikel möchten wir Ihnen eine umfassende Orientierungshilfe bieten, um die wichtigsten Dinge zu klären, die beim Erben einer Immobilie zu beachten sind. Unser Ziel ist es, Ihnen einen klaren und strukturierten Überblick zu geben, damit Sie die bestmöglichen Entscheidungen treffen können.
Erbe werden
In den meisten Fällen sind die Verwandtschafts- und somit auch die Erbverhältnisse bekannt. Jedoch gibt es auch Fälle, in denen unerwartete (Mit-)erben auf den Plan treten können. Wussten Sie, dass bei kinderlosen Paaren der überlebende Partner nicht automatisch Alleinerbe ist? Die Eltern des verstorbenen Partners haben Anspruch auf einen Teil des Erbes.
Auch Kinder aus früheren Beziehungen haben Anspruch auf einen Pflichtteil.
Und, ganz wichtig: leben Sie ohne Trauschein bzw. eingetragene Partnerschaft zusammen, hat der Partner keinerlei gesetzliche Erbansprüche. Gerade in diesem Fall ist ein Testament unabdingbar.
Testament
Mit einem Testament kann der Erblasser weitgehend frei bestimmen, wer welchen Anteil am Nachlass erhalten soll. Auch ein selbstgeschriebenes Testament ist gültig. Der Vorteil eines notariell beglaubigten Testaments ist allerdings, dass es auf rechtliche Gültigkeit geprüft wurde und den Erbschein ersetzen kann.
Schreiben Sie ihr Testament selbst, so können Sie es gegen eine Gebühr beim Nachlassgericht (i.d.R. das zuständige Amtsgericht Ihres Wohnorts) hinterlegen lassen.
Wichtig für die Nachkommen: haben Sie vom Erblasser ein Testament erhalten oder finden eines in den Unterlagen des Verstorbenen, so müssen Sie dies unverzüglich an das Nachlassgericht übergeben. Dies gilt auch dann, wenn Sie Zweifel an der Gültigkeit haben. Die Entscheidung darüber trifft das Gericht.
Erbe oder Vermächtnis
Auch wenn diese Begriffe oft synonym verwendet werden, so stehen dahinter rechtliche Unterschiede. Beim Erbe geht es nicht um einzelne Gegenstände, sondern um Anteile sowie um die mit dem Nachlass verbundenen Rechte und Pflichten. Beim Vermächtnis erhält der Bedachte einen konkreten Vermögenswert. Diesen Anspruch muss der Vermächtnisnehmer gegenüber den Erben geltend machen.
Der Pflichtteil
Wer einen gesetzlichen Erbanspruch hat, jedoch im Testament nicht bedacht wurde, kann einen Pflichtteil beanspruchen. Dieser beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Ein Beispiel: angenommen, der Erblasser hinterlässt drei Kinder. Jedes Kind hätte einen Anspruch auf ein Drittel des Erbes. Ist nun ein Kind vom Erbe ausgeschlossen, hat es Anspruch auf die Hälfte des Erbteils, also ein Sechstel.
Gut zu wissen: der Pflichtteil ist von den Miterben auszuzahlen. Die pflichtteilsberechtige Person kann keine Ansprüche auf Wertgegenstände stellen, wird also auch nicht zum Miterben einer Immobilie. Allerdings kann dieser finanzielle Anspruch dazu führen, dass eine Immobilie verkauft werden muss, wenn die Erben den Pflichtteil nicht anderweitig aufbringen können. Pflichtteile werden nicht automatisch ausgezahlt, sondern nur auf Verlangen des Berechtigten. Der Anspruch verfällt drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Berechtigte Kenntnis vom dem Erbfall erlangt hat.
Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?
Nur die nächsten Angehörigen sind berechtigt, einen Pflichtteil zu beanspruchen. Dies sind zunächst Kinder und Ehegatten des Erblassers. Sind keine eigenen Kinder vorhanden, haben die Eltern des Erblassers Anspruch auf einen Pflichtteil. Ist ein Kind des Erblassers bereits verstorben, sind dessen Kinder wiederum pflichtteilsberechtigt.
Geschwister, geschiedene Ehepartner und alle anderen sind vom Pflichtteil ausgeschlossen.
Sonderfall „Voraus“
Auch wenn mehrere Erben vorhanden sind, so verbleiben Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke beim überlebenden Ehegatten. Dies gilt allerdings nur, wenn der Partner gesetzlicher Erbe ist. Bei einer testamentarischen Regelung wird auch der Hausrat unter allen Erben aufgeteilt.
Erbschein
Der Erbschein ist ein amtliches Dokument, mit dem Sie sich als Erbe gegenüber Banken und Vertragspartnern des Erblassers ausweisen können. Der Erbschein kann beim Nachlassgericht gegen eine Gebühr beantragt werden. Sie müssen alle Dokumente einreichen, die Sie als Erben ausweisen. Es kann ratsam sein, einen Notar zu beauftragen, um sicherzustellen dass hier nichts vergessen wird.
Bestandsaufnahme
Als Erbe übernehmen Sie nicht nur die Vermögenswerte, sondern auch Schulden und Verpflichtungen. Es ist daher angebracht, sich vor dem Annehmen des Erbes einen Überblick zu verschaffen.
Einsicht ins Grundbuch und Baulastenverzeichnis
Als möglicher Erbe sind Sie berechtigt, Einsicht in das Grundbuch und Baulastenverzeichnis zu nehmen. Hier sind etwaige Grundschulden, aber auch Wohn- und Vorkaufsrechte verzeichnet. Das Baulastenverzeichnis wird in den meisten Bundesländern separat geführt. Es enthält Verpflichtungen, die dem Grundeigentümer von der Bauaufsichtsbehörde auferlegt sind. Näheres zum Grundbuch finden Sie hier.
Weitere Vorbereitungen beim Immobilienerbe
Bevor Sie ein Immobilienerbe antreten, sollten Sie natürlich die Immobilie in Augenschein nehmen und überprüfen, welche Ausgaben noch auf Sie zukommen können. Etwa für anstehende Sanierungsarbeiten. Bei vermieteten Immobilien schauen Sie sich die Mietverträge an. Bei einer Eigentumswohnung sollten Sie auch Einblick in Unterlagen wie Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung oder Versammlungsprotokolle nehmen.
Die Immobilie besichtigen
Auch als vorläufiger Erbe sind Sie berechtigt, die Immobilie zwecks Bestandsaufnahme zu besichtigen. Dabei können Sie gleich einen Sachverständigen hinzuziehen, z.B. einen Immobilienexperten von Wentzel Dr., um die Immobilie fachgerecht zu bewerten. Ist die Immobilie durch Dritte bewohnt, müssen Sie deren Rechte wahren. Gegenüber Mietern muss die Besichtigung etwa rechtzeitig angekündigt werden. Mieter und Miterben dürfen Ihnen jedoch Ihr Besichtigungsrecht nicht verwehren.
Checkliste Immobilienerbe
- Hat die Immobilie eine persönliche Bedeutung für mich?
- Möchte ich die Immobilie übernehmen?
- Würde mir die Immobilie und die damit verbundenen Aufgaben Freude bereiten, oder eher eine Belastung darstellen?
- Welcher Aufwand ist mit Übernahme, Vermietung oder Verkauf der Immobilie verbunden?
- Wie schätze ich meinen persönlichen Aufwand für anstehende Sanierungsarbeiten ein?
- Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für anstehende Sanierungs- und Reparaturarbeiten?
- Wie schätze ich den Wert der Immobilie ein?
- Welche finanziellen Verpflichtungen gehe ich mit dem Immobilienerbe ein?
- Bleibt im Falle eines Verkaufs ein Gewinn für mich übrig?
Kommen mit dem Erbe weitere Belastungen auf mich zu? (z.B. Auszahlung von Miterben oder Pflichtteilen, Herausgabe von Vermögenswerten aus Vermächtnissen, Schulden oder Verträge des Erblassers)
Das Erbe annehmen oder ausschlagen?
Wenn Sie erbberechtigt sind, werden Sie automatisch mit dem Tod des Erblassers Eigentümer ihres Erbteils. Sie können ein Erbe jedoch ausschlagen. Falls Sie diese Option in Betracht ziehen, müssen Sie beim zuständigen Nachlassgericht eine Niederschrift beantragen, oder eine Erklärung bei einem Notar abgeben. Dafür haben Sie sechs Wochen Zeit, nachdem Sie von Ihrer Erbschaft erfahren. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, sofern der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder wenn Sie sich zu Fristbeginn im Ausland aufgehalten haben.
Das Erbe für Kinder ausschlagen
Bedenken Sie, dass der Erbanspruch auch Ihre Kinder betreffen kann. Gegebenenfalls sollten Sie auch für Ihre minderjährigen Kinder das Erbe ausschlagen. Dafür sind in der Regel beide Elternteile verantwortlich. Erkundigen Sie sich, ob Sie außerdem eine Genehmigung des Familiengerichts benötigen.
Das Erbe im Nachhinein ausschlagen
Wenn die Frist zum Ausschlagen verstrichen ist, treten Sie das Erbe mit allen Rechten und Pflichten an. Unter Umständen erben Sie dabei finanzielle Verpflichtungen mit, die höher als das Nachlassvermögen sind. Hierfür haften Sie dann mit Ihrem eigenen Vermögen.
Wenn Sie darlegen können, dass Sie bei Antritt des Erbes getäuscht wurden, können Sie das Erbe im Nachhinein anfechten.
Kommt eine Anfechtung nicht infrage, können Sie ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Damit werden die geerbten Verbindlichkeiten nur aus der Erbmasse bedient. Natürlich dürfen Sie in diesem Fall keine Vermögenswerte vorab verkaufen.
Checkliste Todesfall – was ist zu tun? Durch wen und wann?
- Sterbeurkunde beantragen
- Verwandte und Freunde benachrichtigen
- Zugang zur Immobilie erhalten, ggf. Wertsachen verwahren, Unbefugte am Zutritt hindern
- Dokumente sichten: Versicherungen verständigen, Testament beim Nachlassgericht einreichen, ggf. Vollmachten widerrufen, fehlende Unterlagen beschaffen
- Nachlass dokumentieren (Fotos) und Verzeichnis beim Nachlassgericht einreichen
- Einsicht in Grundbuch und Baulastenverzeichnis nehmen
- Immobilienbewertung anfordern
- Entscheidung über Annahme des Erbes (6-Wochen-Frist)
- Bei Annahme des Erbes: Grundbuchänderung beantragen, Mieter benachrichtigen
Fazit
Das Erben einer Immobilie bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Von rechtlichen Überlegungen über finanzielle Aspekte bis hin zu persönlichen Entscheidungen gibt es viele Faktoren, die sorgfältig bedacht werden müssen. Eine gründliche Bestandsaufnahme und ein gutes Verständnis aller Verpflichtungen sind unerlässlich, um das Erbe erfolgreich anzutreten.
Wir empfehlen Ihnen, frühzeitig die Unterstützung von Immobilienexperten in Anspruch zu nehmen. Die Experten von Wentzel Dr. stehen Ihnen mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihrem umfassenden Wissen zur Seite. Sie können Ihnen helfen, den Wert der Immobilie korrekt einzuschätzen, notwendige Schritte zu planen und mögliche Fallstricke zu vermeiden. Zögern Sie nicht, sich rechtzeitig beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass Sie das Beste aus Ihrem Immobilienerbe machen.
Weitere Informationen zum Umgang mit geerbten Immobilien erhalten Sie in diesen Artikeln: